Ein kurzer Hoffnungsschimmer

Ein ganz normaler Donnerstag!

Eine kaum zu Enttäuschung fähige Sprachcomputerstimme der Hotline eines großen Digitalkonzerns hängt 2 mal auf, nachdem ich meinen Sprachauftrag „direkter Vertrag“ zu aggressiv in die Muschel plärrte. Meine abgefragten Daten wollte sie bei ruhiger Stimmlage einfach nicht akzeptieren, habe sie wohl mehrmals zum millisekundengetakteten Zeitpunkt entweder zu schnell oder zu langsam loswerden wollen. Mit einem Techniker einen Termin zu vereinbaren, kostete mich „nur“ eine gute halbe Stunde, plus darauffolgenden 5 sms zur Termin-Bestätigung, Neu-Verschiebung, abermaliger Bestätigung, Feedback-Aufforderung und Auftragsabschussmeldung. Ganz normaler Digital-Hotline-Alltag. So gewohnt wie ärgerlich und zeitfressend in unseren algorithmischen Zeiten.

Weitreichender fällt unser digitaler Diskurs in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen in zwei Extreme auseinander. 

Da ist der Hoffnungsschimmer:

Rezo und etliche weitere YouTubeR influencen uns mal nicht zum Kauf irgendwelcher kosmetika, sondern betreiben handfeste Politik: die etablierten Parteien scheren sich um tausende wissenschaftliche Erkenntnisse nicht die Bohne, indem sie so tun, als könnte man den Klimawandel auch erst 2040 mit konkreten Maßnahmen angehen … und die Politik reagiert darauf, erst hilflos diffamierend, langsam aber auch mit getriebener Einsicht. Kann die digitale Kommunikation und Öffentlichkeit wirklich konkretes „gutes“ am Ende bewirken? Zu hoffnungsschwanger um wahr zu sein.

Da ist die erschreckende Ernüchterung:

Rechtsextreme Hetzer schaffen ein Klima, in dem sich Durchgeknallte wie der mutmaßliche Mörder des „zu migrationsfreundlichen“ Kassler Regierungspräsidenten zu Waffengewalt ermutigt fühlen. Die sozialen Medien schaffen den öffentlichen Raum, um sich hasserfüllt darüber zu entblöden.

Wo gestern noch die Hoffnung aufkeimte, digitale öffentliche Kommunikation könnte zu Demokratisierung und über den Bewußtseinswandel hinausreichende Aktivierung führen, stirbt sie am Tag darauf, in dem klar wird, dass sie ebenso den Boden für faschistische Entwicklungen bereitet. Eine dramatische Spaltung des gesellschaftlichen Bewusstseins in rück- und vorwärtsgewandte Ideen scheint die Folge.

Und was lernen wir daraus?

6,2 Milliarden Erlös durch die Versteigerung der 5G- Lizenzen. Der schnelle Ausbau weiterer noch schnellerer und umfassenderer digitaler Kommunikation -Gottseidank endlich ohne Funklöcher – kommt in Fahrt. 

Ich darf meinen zukünftigen Ärger über nervtötende Hotline-Sprachcomputer noch schneller und vermutlich noch wirkungsloser ins Telefon brüllen. Die Automaten-Sprachdame wird mich direkt zur Anmeldung eines Antiagressionstrainings weiterleiten.

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